Komposition hat eine lange Tradition der kritischen Reflexion der eigenen künstlerischen Praxis und eines Selbstverständnisses, das Forschung als Teil von Kompositionsprozessen sieht: sei es die Suche nach neuen Klangmöglichkeiten und Formen, die Dekonstruktion und Rekonstruktion von Instrumenten, der Einsatz neuer Technologien, phänomenologische Untersuchungen musikalischer Ereignisse oder die kompositorische Erforschung von Naturprozessen.

Dass dieser kompositionsimmanente forschende Ansatz nicht allein künstlerischer Neugierde entspringt, sondern den Drang verspürt, zur Weiterentwicklung der Musik beizutragen, zeigt sich anhand zahlreicher Versuche, neue, aus der Komposition gewonnene Erkenntnisse verbal und schriftlich zu artikulieren und auch zu theoretisieren. Die im Bärenreiter Verlag erscheinende Reihe zu technischen Möglichkeiten verschiedener Instrumente präsentiert beispielsweise Ergebnisse, die nicht nur aus der Kompositionspraxis, sondern auch der Zusammenarbeit von Komponist*innen und Interpret*innen in einem laborähnlichen Setting gewonnen wurden. Im Sinne eines experimentellen Zugangs und der beckettschen Maxime: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better“. ist hierbei das Scheitern – eine genuin künstlerische Kategorie – ein wesentlicher Bestandteil. Beispiele für die Theoretisierung gibt es zahlreiche, repräsentativ sei Rameaus Traité de l’harmonie angeführt.

Vermehrt wird jedoch auch eine Position vertreten, die den Forschungscharakter von Komposition infrage stellt, gar emphatisch negiert. In seiner Streitschrift composition is not research argumentiert John Croft, dass Forschung im Bereich Komposition künstlich konstruiert ist, um das Fach Komposition akademisch weiterhin zu legitimieren und Projektfinanzierungen zu sichern. In einem akademischen Forschungsumfeld sei die Autonomie der Kunst nicht mehr gegeben. Sein Fazit: Kunst und Forschung sind zwei grundsätzlich verschiedene Bereiche.

In dieser Diskussion stellen sich zahlreiche Fragen: Wie ist ein kompositorischer Forschungsbegriff auszulegen? Wo im Kompositionsprozess findet Forschung statt? Auf welchen Ebenen? Was wird erforscht? Welche Perspektiven und Potenziale hat ein forschungsimmanentes Verständnis von Komposition? Was lässt sich durch Autoethnografie für den Kompositionsprozess gewinnen? Was bedeuten die Entwicklungen im Bereich Artistic Research für das Fach Komposition? Das Thema Komposition & Forschung ist vielschichtig und erlaubt einen multiperspektivischen Zugang. In diesem dreitägigen Symposium sollen die Möglichkeiten und Potenziale von Forschung im Bereich der Komposition im zweiten Dezennium des 21. Jahrhunderts diskutiert werden. Die Aktualität des Themas in der internationalen Szene ist unbestritten, vor allem auch in Hinblick auf die Entwicklungen und Diskussionen im Bereich Artistic Research und der Implementierung von künstlerisch-wissenschaftlichen Doktoratsstudiengängen an deutschsprachigen Musikhochschulen und Universitäten, die einen Strukturwandel im Fach Komposition bewirken könnten, der existenziell wäre.

Es werden drei Keynotes gehalten:

1) Prof. Dr. Claus-Steffen Mahnkopf (HMT Leipzig) 
 Was heißt künstlerische Forschung und was heißt künstlerische Forschung?


2) Alberto Posadas (Madrid) 
 Redefinition and hybridization through an archaeological approach.


3) Dr. Pia Palme (Wien) 
 On composition as ecology. A posthuman tractate.

Die Abstracts der Vorträge und Informationen zu den Vortragenden finden Sie unter https://www.komposition-forschung.at/programm.

Komponist*innen, Interpret*innen, Artistic Researcher, Musikwissenschaftler*innen, Musikphilosoph*innen können Vorschläge zu Themen einreichen, die sich auf Komposition & Forschung beziehen.

Schwerpunkte könnten sein:

  • Vorstellung der eigenen kompositorischen Praxis mit inhärentem Forschungscharakter
  • Das Verhältnis von Komposition und Forschung in Geschichte, Gegenwart und Zukunft
  • Kompositionsmethoden und -techniken
  • Komposition und Theoriebildung
  • Klangforschung
  • Computergestützte Komposition, Elektronische und Elektroakustische Komposition, Neue Technologien, Künstliche Intelligenz, hybride Formen
  • Komposition und Forschung im transdisziplinären Kontext
  • Feldforschung und Autoethnographie
  • Proben als Orte kompositorischer Forschung
  • Interaktion von Interpretinnen und Komponistinnen als Forschungsprozess
  • Komposition-Improvisation-Forschung
  • Komposition und Wahrheitsforschung
  • Auswirkungen von Artistic Research als Disziplin auf das Kompositionsverständnis und die Ausbildung an Musikhochschulen/-universitäten
  • Theorien und Methoden von practice-as-research, practice-based research und Artistic Research in Bezug auf Komposition

Folgende Formate können bis zum 10. Oktober 2022 eingereicht werden:

  • Papers (20 Minuten + 10 Minuten Diskussion)
  • Lecture Recitals (bis zu 30 Minuten)
  • Impulsvorträge (10 Minuten + 20 Minuten Diskussion)
  • Panels mit 3-4 Papers (90 bis 120 Minuten)
  • Diskussionsrunden mit 3-4 Teilnehmer*innen (45-90 Minuten)

Interessierte senden bitte ein Abstract (max. 300 Wörter und 5 Keywords), eine Kurzbiographie (max. 100 Wörter) und Kontaktdaten an info@komposition-forschung.at. Eingangsbestätigungen werden verschickt. Die Vorträge können auf Deutsch oder Englisch gehalten werden.

Die Auswahl durch die internationale Kommission erfolgt im November.

Alle Bewerber*innen werden anschließend benachrichtigt.

Eine Publikation mit ausgewählten Beiträgen ist für Ende 2023 im Wolke Verlag geplant.

Für fachliche Fragen steht Univ. Prof. Hakan Ulus (hakan.ulus@gmpu.ac.at) zur Verfügung.

Wir freuen uns auf Ihre Einreichung!

Auswahlkommission:

  • Univ. Prof. Dr. Wolfgang Gratzer (Universität Mozarteum Salzburg)
  • Prof. Jakob Gruchmann (GMPU Klagenfurt)
  • Ass.-Prof. Dr. Michelle Lou (UC San Diego)
  • Prof. Dr. Claus-Steffen Mahnkopf (HMT Leipzig)
  • Dr. Pia Palme (Wien)
  • Univ. Prof. Hakan Ulus (GMPU Klagenfurt)

Organisation (GMPU):

  • Prof. Jakob Gruchmann (Vizerektor und Professor für Komposition)
  • Christoph Suttner (Studentischer Mitarbeiter)
  • Univ. Prof. Hakan Ulus (Universitätsprofessor für Komposition)